Branchenexpert:innen zum Stand der Ausbildung und den Veränderungen durch KI
Das Eventbusiness hat im Verlauf der letzten dreißig Jahre spezifische Ausbildungen hervorgebracht. Genügen diese noch den Ansprüchen und wie werden sich Ausbildungen verändern?
showcases fragte vier Expertinnen und Experten.
Hendrik Coers ist Geschäftsführer der Aventem GmbH in Hilden, einem audiovisuellen Technikdienstleister, der zum Beispiel die Großprojektionen zum 30. Jubiläum der Reichstagsverhüllung realisierte. Julia Jost ist Referentin People beim Branchenverband fwd: Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft e. V., und Professor Stefan Luppold lehrt an der Dualen Hochschule Baden- Württemberg. Nach zwölf Jahren als Studiengangsleiter »BWL – Messe-, Kongress- und Eventmanagement« ist er dort momentan kommissarisch tätig. Bekannt sind seine Grundlagenwerke für die Veranstaltungswirtschaft. Heike Rose ist Directorin bei INSGLÜCK Gesellschaft für Markeninszenierung mbH in Berlin. Insglück gestaltete den Kuwait Pavillon auf der Expo in Osaka 2025.
Werden die Ausbildungsgänge im Eventbereich den Anforderungen der Praxis gerecht?
Heike Rose: Nur bedingt. Die Grundlagen sitzen – Projektmanagement, Recht, Kalkulation. Doch der Realitätscheck fehlt. Ausbildungen müssen raus aus der Theorie und rein in echte Praxis: knackige Cases, Konzeptdruck, Technologiekompetenz und Beratungsskills. Nachhaltigkeit, Diversität und Customer Journeys dürfen keine Fußnoten mehr sein, sondern die Basis jedes Projekts.
Julia Jost: Die aktuellen Ausbildungsgänge stehen vor der Herausforderung, mit der rasanten Entwicklung der Branche Schritt zu halten. Als Verband sind wir aktiv in das Neuordnungsverfahren des Ausbildungsberufs Veranstaltungskauffrau bzw. Veranstaltungskaufmann eingebunden und haben hier neben weiteren Branchenverbänden die Möglichkeit, Fachkräfte aus der Praxis aktiv an den Ausbildungsrahmenplan der Zukunft mitwirken zu lassen. Die Verzahnung von Theorie und Praxis muss gestärkt und damit auch Berufsschullehrkräfte mit Wissen aus der Praxis unterstützt werden. Dafür haben wir gemeinsam mit weiteren Branchenverbänden den EventCampus ins Leben gerufen. Darüber hinaus setzen wir mit Pilotprojekten und Kooperationen mit Bildungsträgern an, um Ausbildungsinhalte noch praxisnaher zu gestalten.
Hendrik Coers: Ich bin der Meinung, dass wir ein breites Spektrum an Ausbildungsmöglichkeiten im Eventbereich haben, die den unterschiedlichen Bereichen weitestgehend auch in der Praxis gerecht werden. Natürlich erfordern die technologischen Fortschritte hier eine kontinuierliche Anpassung der Inhalte, gerade in den technischen Ausbildungsgängen.
Stefan Luppold: Von den mehr als 50 Studiengängen in Deutschland gibt es unter anderem unseren an der DHBW Ravensburg, als den ältesten, größten und bewährtesten. Das duale Konzept erzeugt unmittelbare Praxiskompetenz – schließlich verbringen die Studierenden in den drei Jahren bis zum Bachelor 18 Monate in der Praxis und können das theoretische Wissen direkt anwenden.

Neben Fachwissen sind vor allem Soft Skills und agile Fähigkeiten entscheidend. Events leben von Kooperationen.
Julia Jost
Worauf würdest Du den Schwerpunkt legen?
JJ: Bezogen auf den Ausbildungsberuf Veranstaltungskauffrau beziehungsweise Veranstaltungskaufmann müssen die Grundlagen der Datenanalyse, KI-gestützte Planungstools und digitale Eventformate vermittelt werden. Auch die Handlungskompetenz ist entscheidend. Fallstudien und Simulationen wie Krisenmanagement machen Auszubildende fit für den Berufsalltag. Mehrere Studien zeigen, dass Unternehmen mit vielfältigen Teams innovativer und resilienter sind. Ausbildungen sollten Diversity Management und inklusive Eventgestaltung integrieren. Die derzeit laufende Diversity Studie wird einen Teil dazu beitragen, dass ein Mission Statement der Branche formuliert und daraus Handlungsimpulse abgeleitet werden können.
HR: Ich würde die Schwerpunkte auf drei Kernbereiche legen. Erstens Strategie: klare Ziele, klare Wirkung, klare Messbarkeit. Zweitens Kreation: Story, Dramaturgie, Content-Design über alle Touchpoints. Drittens Delivery: agile Produktion, digitale Tools, technische Souveränität. Und Nachhaltigkeit und Accessibility gehören nicht ans Ende eines Lehrplans, sondern in jede Einheit.
SL: Unser bewährter Schwerpunkt ist die Betriebswirtschaftslehre. Sie ist der Kern und bildet im gesamten Prozess der Leistungserstellung, des Betreibens eines Unternehmens in der Veranstaltungswirtschaft, bei der Entwicklung eines Produktportfolios etc. das Rückgrat.
HC: Wir sollten versuchen, die Emotionen aus dem Eventbereich an die Auszubildenden zu transportieren und so zu motivieren. Ein entsprechendes Improvisationstalent muss vermittelt werden, damit lösungsorientiert und eigenverantwortlich gehandelt werden kann auf Basis der vermittelten Grundlagen.
Welche Skills müssen unbedingt vermittelt werden?
HR: Analytik statt Bauchgefühl. Konzeptkompetenz statt Deko-Denken. Strategische Beratung, sichere digitale Skills, Produktionshandwerk und saubere Kommunikation. Plus: Teamführung, Stakeholder-Management und echtes Verständnis von Nachhaltigkeit und Diversity.
JJ: Neben Fachwissen sind vor allem Soft Skills und agile Fähigkeiten entscheidend. Events leben von Kooperationen. Verhandlungsgeschick und interkulturelle Kompetenz sind unverzichtbar. Flexibilität und Problemlösungsorientierung, etwa bei kurzfristigen Änderungen oder Krisen wie der Pandemie, oder Lieferengpässen. Dann die die Fähigkeit, zielgruppenspezifische Erlebnisse zu gestalten – unterstützt durch KI- Tools für personalisierte Eventkonzepte. Und Kenntnisse über ökologische und soziale Verantwortung zum Beispiel CO2-Bilanzierung oder barrierefreie Events.
Zweifelsohne ist der Umgang mit KI ein Muss.
Stefan Luppold

SL: Bei uns sind das Fähigkeiten, die sowohl die Nutzung von Werkzeugen – Methoden, Konzepte, Theorien – beinhalten als auch Kompetenzen zur Organisation und Führung von Teams. Von unseren über 2.000 Alumni ist die überwiegende Zahl heute in einer Management-Position, wo kleine Teams oder ganze Unternehmen geführt werden müssen.
HC: Ich denke, dass wir die Entscheidungskompetenz in allen Bereichen fördern sollten, um die Planungsprozesse stringenter gestalten zu können. Aus meiner Erfahrung ist eine Priorisierung der Aufgaben in der Vorbereitung unumgänglich und sollte als Leitfaden im Rahmen der Ausbildung in allen Ausbildungsgängen des Eventbereichs vermittelt werden.
Wird der Umgang mit KI die Ausbildungsgänge verändern?
HR: Radikal. KI wird zum Standardtool für Research, Content, Planung. Ausbildung muss Prompting, Datenethik, Automatisierung, Quality Control und rechtliche Grundlagen abbilden. Die Kunst besteht darin, KI als Beschleuniger zu nutzen und trotzdem Menschen die kreative und ethische Hoheit zu lassen.
JJ: KI wird die Veranstaltungsbranche grundlegend transformieren – und damit auch Ausbildungen. KI unterstützt bei der Planung, wie Raumbelegung oder Zeitmanagement, bei der Datenauswertung, wie dem Teilnehmerfeedback und automatisierten Prozessen, wie Ticketing und Chatbots. Auszubildende müssen lernen, diese Tools kritisch und ethisch einzusetzen sowie Daten zu interpretieren und in nutzerzentrierte Konzepte umzusetzen. KI kann Inspiration für Designs, Content oder interaktive Elemente liefern – die menschliche Kreativität bleibt jedoch entscheidend, um emotionale Erlebnisse zu schaffen.
SL: Zweifelsohne ist der Umgang mit KI ein Muss – in zweifacher Hinsicht. Zunächst geht es um Grundlagen, die ein ganzheitliches Verständnis schaffen. Dann aber auch um spezifische Einsatzmöglichkeiten, etwa zur Unterstützung bei der Suche nach neuen Messethemen oder der Kommunikation mit Stakeholder-Gruppen.
HC: Es werden sicherlich verschiedene Tools eingebunden werden und es muss vermittelt werden, welche Möglichkeiten und Risiken die KI bietet, denn es bedarf einer Einschätzung der Ergebnisse aus Befragungen und Antworten aus KI-basierten Tools.
KI kann viel, aber nicht kuratieren, fühlen, führen. Wer Konzepttiefe, Geschmack, Live-Empathie und saubere Dokumentation mitbringt und KI souverän einsetzt, wird sich abheben. – Hendrik Coers
Inwieweit verändert KI die Einstiegschancen in den Beruf?
HR: KI erleichtert den Einstieg. Juniors werden schneller produktiv. Aber sie erhöht auch den Anspruch. KI kann viel, aber nicht kuratieren, fühlen, führen. Wer Konzepttiefe, Geschmack, Live-Empathie und saubere Dokumentation mitbringt und KI souverän einsetzt, wird sich abheben.
JJ: Sie schafft neue Chancen, stellt aber auch höhere Anforderungen an Einsteiger:innen. Sie übernimmt repetitive Aufgaben wie die Datenpflege, sodass mehr Raum für strategische und kreative Tätigkeiten entsteht. Wer KI-Tools beherrscht, hat bessere Einstiegschancen – besonders in digitalaffinen Unternehmen. Das Grundverständnis für KI wird jedoch zur Basiskompetenz. Wer hier nicht mithalten kann, riskiert, abgehängt zu werden. Darüber hinaus entstehen spezialisierte Rollen wie beispielsweise »Event Data Analyst« oder »KI-Koordinator:in für Erlebnisdesign«. Der Umgang mit KI ist als Erweiterung der Medienkompetenz zu verstehen und ergänzt das bisher notwendige Skillset in der vielseitigen Veranstaltungsbranche.

HC: Hier werden wir in den kommenden Jahren neue Berufsbilder sehen, die einige uns jetzt bekannte Arbeitsweisen ablösen. Die Einbindung der KI in den Berufsalltag steht noch am Anfang und bietet somit gerade neuen Berufseinsteigern eine Chance, sich mit dem Themengebiet auseinanderzusetzen und hier einen Schwerpunkt zu setzen, was entsprechende Aufstiegschancen mit sich bringt.
Die komplette showcases-Ausgabe findest du hier: https://www.yumpu.com/de/document/read/70880412/fokus-human-resources-i-showcases-2026-01

Kerstin Meisner-Schaul
Herausgeberin, Chefredaktion. Netzwerkerin der Eventbranche mit absoluter Leidenschaft für Live-Kommunikation.
Weitere Artikel

MENSCHEN MACHEN MOMENTE– UND ZUKUNFT: Aus- und Weiterbildung als Herzenssache
Egal, welchen Event wir erleben – es sind immer die Menschen dahinter, die die Magie erschaffen. Wer in ihre Entwicklung investiert, gestaltet nicht nur gelungene Veranstaltungen, sondern die Zukunft einer ganzen Branche. Das bedeutet auch: Aus- und Weiterbildung ist nicht nur Herzenssache, sondern unverzichtbar. Das Themenspecial stellt verschiedene Anbieter aus der Eventbranche rund um »Human [...]

ZWEI PLATTFORMEN WACHSEN ZUSAMMEN – memo-media und elbgoods bündeln ihre Kräfte
Für eine starke, sichtbare und zukunftsfähige Eventbranche – memo-media und elbgoods bündeln ihre Kräfte »Pascal, der Geschäftsführer von elbgoods, und ich sind uns zuallererst auf der boe in Dortmund und dann noch einmal in Berlin begegnet, als wir beide bei der Auszeichnung der besten Internetportale geehrt wurden«, erinnert sich Kerstin Meisner- Schaul, Geschäftsführerin des memo-media [...]

Den öffentlichen Raum mit Leben füllen
Die showcases-Expert:innenrunde zum Stadtmarketing Stadtfeste sind ein wichtiges Instrument des Stadtmarketings, locken sie doch Besuchende von auswärts und bieten Identifikation nach innen. Die Veränderungen der Innenstädte und die Anschläge auf Stadt- und Volksfeste sind große Herausforderungen für deren Zukunft. showcases befragte verantwortliche Profis aus der ganzen Republik. Anna Bierig ist Geschäftsführerin der StaRT – Stadtmarketing [...]

