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CIRQUE DE DEMAIN 2025: Das Festival des »Neuen« Zirkus jährt sich zum 44. Mal

Das Festival Mondial du Cirque de Demain – dieser Termin Ende Januar in Paris ist für internationale Show- & Varieté-Produzent:innn und Liebhaber:innen des Neuen Zirkus gesetzt. Schon bei den Proben der Artist:innen treffen sich die Mitglieder des Club Pro und loten aus, welche neuen Talente sich bereitmachen für den Sprung in die erste Artistik-Liga weltweit. [...]

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CIRQUE DE DEMAIN 2025: Das Festival des »Neuen« Zirkus jährt sich zum 44. Mal
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Das Festival Mondial du Cirque de Demain – dieser Termin Ende Januar in Paris ist für internationale Show- & Varieté-Produzent:innn und Liebhaber:innen des Neuen Zirkus gesetzt. Schon bei den Proben der Artist:innen treffen sich die Mitglieder des Club Pro und loten aus, welche neuen Talente sich bereitmachen für den Sprung in die erste Artistik-Liga weltweit. Dann die ersten Shows (A & B) am Donnerstag und Freitag abends, bei denen die Anspannung steigt. Und erst der Samstag! Show B am Nachmittag und Show A am Abend. Das Zelt des Cirque Phenix ist voll besetzt, mit einer Kapazität von 5.500 Plätzen einer der größten Zirkusse der Welt. Durch den Verzicht auf ein Innengerüst genießen alle Zuschauenden eine optimale Sicht – bessere Voraussetzungen gibt es für junge Artist:innen kaum.

21 Acts waren es in diesem Jahr. Stammte die Eröffnungsshow in den letzten Jahren meist von einer Artistikschule, war es in diesem Jahr das Ensemble Machine de Cirque, die mit einem spektakulären russischem Barren-Act die Shows eröffneten. Der angekündigte Teeterboard-Act fiel wegen einer Verletzung während der Proben aus.

Uns begeisterten die folgenden Acts ganz besonders – eine völlig subjektive Auswahl:

Der Antipoden-Act der Troupe de Guangzhou mit Xie Zongbin und Zhang Jiyai aus China. Eleganz pur, die die Zuschauenden völlig in ihren Bann gezogen hat. Der Act ist einfach wunderschön anzusehen und wirkt, wie aus einer anderen – artifizielleren – Welt entsprungen.

X-Board by Motus aus Dänemark am Korean Crossboard – ein Artist, der an CNAC absolvierte, drei Chiropraktiker und zwei Maschinenbau-Ingenieure, allesamt am Crossboard Autodidakten. Sie fliegen hoch, sie fliegen kreuz, sie fliegen quer. Die Power und Dynamik der sechs jungen Männer sind einfach ansteckend. Dafür gibt es eine wohlverdiente Goldmedaille und hoffentlich viele Engagements in dieser Formation.

Toy Toy Toy – die beiden Japaner Naoto und Shue trainieren schon seit unglaublichen zwanzig Jahren ihre Disziplin, das Yoyo, miteinander und dabei ist Shue erst Mitte zwanzig: Naoto war sein Superhero. Die lange Erfahrung merkt man ihnen in Synchronität, Spielfreude und Timing an. Naoto und Shue gewannen die Silbermedaille.

Eine Bronzemedaille ging an Nicolas Teusa aus Kolumbien, der mit seinem Reifen am Pendel brillierte. Seit 2019 arbeitet er an dieser Nummer und uns ist es ein völliges Rätsel, mit wie vielen Seilen der Reifen bewegt wird, damit solch eine Tanz- und Flug-Perfomance möglich ist. Atemberaubend und traumhaft schön.

Agathe & Adrien – eine Hand-auf-Hand-Komposition aus Kanada und Frankreich mit ständigen wechselnden Rollen.

Auch wenn Agathe mehrere Köpfe kürzer ist als Adrien und auch mehrere Schultern schmaler, proportional gesehen ist sie eindeutig stärker als ihr Partner. Im Witz und Humor nehmen sich die beiden nichts – gute Laune ist garantiert bei diesem Act. Die beiden bekommen den Spezialpreis der Jury.

Eine Hommage an Barbette, eine geschlechtsübergreifende Luftakrobatin, die vor 100 Jahren die Bühnen europäischer Kabaretts und Varietés verzauberte und mit Jean Cocteau und Man Ray befreundet war, ist der Act von Ess Hödlmoser aus Kanada, der mit dem Prix du Cirque Phenix ausgezeichnet wurde.

Seine Darbietung ist weniger spektakulär als vielmehr schön anzusehen und deswegen die Erwähnung definitiv wert.

Franco Pelizzari del Valle aus Argentinien, der sich in Rio de Janeiro und Brüssel hat ausbilden lassen, begeisterte mit Acro-Theatre.

Ein Stuhl, ein Tisch, ein Teppich und eine Mikrowelle – diese in den meisten Haushalten vorhandenen Küchenutensilien verwandelt der Argentinier in ein ganzes Theater-Universum, in dem man die Luft anhält, damit man ewig zuschauen kann.

Für diese Spielfreude gab es die Auszeichnung der Companie Annie Fratellini. Natürlich – in Paris brillierte und beeindruckte der Cirque Nouveau. Und dennoch muss sich dieser 44. Cirque de Demain auch die Frage gefallen lassen, wo denn die jungen Frauen sind? Die Artistinnen, die den bedeutenden Schritt weitergehen und mit ihren Acts eben nicht nur gefallen wollen, sondern mit mutigen, grenz- und genreüberschreitenden Acts die Geschichte des Neuen Zirkus mitgestalten. Damit der Neue Zirkus nicht wieder zu einem männerdominierten Zirkus wird und ein Großteil der Frauen wie beim traditionellen die Rollen der Zierde und Gefälligkeit übernehmen. Die Auswahl, die das Team rund um Alain M. Pacherie für den diesjährigen Wettbewerb zusammengestellt hat, ist sicher ein Spiegel der aktuellen Szene. Damit diese ausgewogener, diverser und damit auch zeitgemäßer wird, ist noch viel Unterstützungs- und Aufbauarbeit notwendig.

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k.meisner@memo-media.de

Redakteur bei showcases

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