KI ist das angesagte Thema in der Eventbranche – zwischen Faszination und Verunsicherung. Prof. Dr. Stefan Kombüchen, Hochschullehrer und Experte für Erlebniskommunikation, spricht im Interview mit Dr. Walter Wehrhan über Potenziale, Risiken und kulturelle Umbrüche durch KI.
Prof. Dr. Kombüchen, Sie sprechen davon: »Je mehr digital stattfindet, umso mehr sehnen sich Menschen nach direkten Begegnungen.« Wie passt der Einsatz KI-gestützter Tools dazu? Können diese digitalen Lösungen wirklich Emotionalität fördern?
Das ist kein Widerspruch – im Gegenteil. Gerade weil Events emotional und multisensorisch wirken, brauchen wir intelligente digitale Helfer, die Raum dafür schaffen. KI kann nicht »fühlen«, aber sie kann Prozesse vereinfachen, Inhalte personalisieren und Formate schaffen, in denen echte Begegnungen wahrscheinlicher werden. Ob ein Chatbot Orientierung gibt, eine Software Besucherinteressen erkennt oder immersive Tools Interaktion ermöglichen – KI fördert die Emotionalität, indem sie uns wieder stärker auf das Wesentliche konzentrieren lässt: den Moment, das Erlebnis.
Was bedeutet in diesem Zusammenhang »Event« aktuell – und wie haben sich Eventstrukturen seit Corona verändert?
Corona war ein Katalysator. Heute sprechen wir von real-digitalen Events, die zeitlich und räumlich flexibel sind. Der klassische »ein Abend, ein Ort«-Gedanke wird ergänzt durch Eventserien, On-Demand-Formate oder hybride Plattformen mit nachhaltigem Content. Der Event endet nicht mehr, wenn die letzte Folie gezeigt wurde – er beginnt, wenn das erste Erlebnis geteilt wird. Wir erleben den »Endlosevent« als neues Narrativ – ein mehr und mehr durch KI unterstützter Kommunikationsraum, losgelöst von Zeit und Raum und Content, der dank gut trainierter Bots in Echtzeit entstehen kann.
In welchen Bereichen des Event-Business ist KI besonders sinnvoll?
Nahezu alle Agenturen nutzen KI für Ideenentwicklung, Visualisierung oder Programmdesign. Veranstalter setzen auf KI-basierte Analyse-Tools zur Erfolgskontrolle oder für datengetriebenes Teilnehmermanagement. Dienstleister profitieren etwa bei der Logistik oder Personalisierung. Das Controlling wird einfacher und schneller. Besonders stark wirkt KI in der Konzeptionsphase und in der Nachbereitung – da, wo Intelligenz aus Daten echte Insights liefert. Der Vertrieb profitiert stark, wenn er auf ein daten-gestütztes CRM-System bauen kann, das gut gepflegt ist.
Mit welchen weiteren Entwicklungen können wir künftig rechnen?
Stichworte wie »Predictive Planning«, KI-gesteuertes Networking oder immersive Erlebnisse durch KI-Avatare sind keine Zukunftsmusik mehr. KI wird Events situativ mitgestalten – ob über automatisierte Sprachübersetzung, Emotionsanalyse in Echtzeit oder die kreative Unterstützung im Storytelling. KI macht das Unsichtbare sichtbar – Bedürfnisse, Potenziale, Verbindungen.
Müssen wir mit Worst-Case-Szenario, respektive mit spürbaren Personalreduzierungen durch KI rechnen?
Eher mit einem Rollenwandel. Wer operativ arbeitet, wird entlastet – und braucht neue Kompetenzen. Die kreative, strategische und emotionale Steuerung bleibt menschlich. Die besten Events der Zukunft werden dort entstehen, wo Menschen und Maschinen sinnvoll zusammenarbeiten. Übrigens eine neue Herausforderung für Führungskräfte, die in Zukunft – auch in Eventagenturen – mit gemischten Teams aus realen und künstlichen Personen arbeiten. Aktuell können Agenturen gutes Geld verdienen, weil sie ein Projekt dank KI kostengünstiger umsetzen.
Sie lehren Eventmanagement an der FHM Köln. Welche Rolle spielt KI in der Ausbildung?
Eine zentrale. Wir vermitteln nicht nur Tools, sondern Haltung: KI ist weder Feind noch Heilsbringer, sondern Werkzeug. Studierende lernen, wie man KI für kreative, effiziente und ethisch vertretbare Eventformate nutzt. Sie üben, kritisch zu fragen – und zugleich mutig zu gestalten. KI braucht nicht nur technisches Know-how, sondern kulturelle Kompetenz.
Prof. Dr. Kombüchen, danke für das Gespräch.
Prof. Dr. Stefan Kombüchen lehrt im Studiengang Eventmanagement & Entertainment an der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) in Köln. Zuvor verantwortete er die internationale Unternehmenskommunikation im Industrieunternehmen Igus inklusive Eventmanagement mit allein über 170 Messen jährlich. Als Mitgründer des Startups Neyroo gestaltete er die Entwicklung real-digitaler Eventformate maßgeblich mit.
Die komplette showcases-Ausgabe findest du hier: https://www.yumpu.com/de/document/read/70739563/fokus-firmenfeiern-i-showcases-2025-03
k.meisner@memo-media.de
Redakteur bei showcases
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